23rd, 25th-26th December 2000
"Ein Abend - Liebes- und Wiegenlieder"
Esther Ofarim

Hamburger Abendblatt - Esther Ofarim


The Show

comment of the press: die Welt

Esther Ofarim


Es ist nicht so wichtig, wo man seinen Koffer hat

Esther Ofarim gibt einen Liederabend an den Kammerspielen

Von KLAUS WITZELING

Hamburg - Sie tritt selten auf. Aber entschließt sich Esther Ofarim dazu, dann gibt sie sich ganz. Bei höchster künstlerischer Disziplin verausgabt sich die Ofarim jedes Mal in ihrer Gesangskunst und ihrem Gefühl mehr als hundertprozentig. Den Liedern aus der Heimat Israel gehört ihre Liebe. Sie wird wieder welche singen - auch einige neue - bei ihrem Konzertabend in den Hamburger Kammerspielen am 23., 25. und 26. Dezember (20 Uhr). Sie bietet - wie Ofarim selber sagt - einen "Mischmasch" aus traditionellen hebräischen und englischen Liedern - doch garantiert frei von süßer Allerwelts-Weihnachtsfolklore.

"Ich bin nicht mehr bereit, etwas zu singen, was mir nicht gefällt oder nicht zu mir passt." Esther Ofarim braucht nicht mehr Karriere zu machen. Die hat sie in den Sechzigerjahren gehabt - und genossen. Damals als Popsängerin mit ihrem ersten Mann Abi. Aber die zierliche, bei aller Sensibilität gewiss auch zähe Rehfrau mit den tizianroten Haaren war eigentlich nie der Typ, der um jeden Preis populär sein mag und kann.

Eigentlich wollte sie Schauspielerin werden und hat nur nebenbei gesungen. Schon als Kind. Begabt mit einer wunderschön schmelzenden Naturstimme und glockenklaren Höhen. "Ich habe nie mit Lehrern gearbeitet", erinnert sich die Sängerin. "Gelernt habe ich durch Zuhören und durch die verschiedenen Arten von Musik. Ich übe auf der Bühne." Aber auf höchstem Niveau, wäre dem heute hinzuzufügen.

Die Ofarim besitzt die Gabe, sich Lieder einzuverleiben und ihnen anzuverwandeln. In diesem Sinn doch eine wahre und humorvolle Schauspielerin, die für Chanson-Minuten zu einer anderen Person wird, indem sie sich mit jeder Liedzeile identifiziert. "Es darf keine Fremdheit zwischen mir und einem Lied bleiben. Dann profitiere ich von ihm, und es profitiert dann vielleicht auch von mir." In einem der Glücksfälle - wie beim Beatles-Song "She's Leaving Home" eröffnet sich dem Zuhörer eine neue Perspektive auf scheinbar Bekanntes. Er erlebt ihn neu und erkennt plötzlich, was er immer nur vage gedacht hat: Den Eltern tut nicht ihr Kind leid, wie sie beteuern, sondern sie tun sich selber leid, weil ihr "Baby" ihnen das antut.

Auch wenn die verschiedenen Lieder durch Ofarims genaues unverwechselbares Interpretieren etwas gemeinsames bekommen mögen, erhält die Sängerin ihnen dennoch die Eigenart, legt sie und sich nicht auf einen bestimmten Stil fest. In ihrem Repertoire findet sich so gegensätzliches wie Noel Coward ("Mad about the Boy") neben Billie Hollyday, Leonard Cohen oder die zwielichtige Ballade "Dirty Old Town", die sie wie andere Titel ihrer gloriosen Anfangszeit wieder ins Programm genommen hat.

Ofarims Künstlertum, ihre Musikalität, wurzeln jedoch unzweifelhaft in den traditionellen Heimatliedern. Sie sind die Seele ihres Singens. Darum ist ihr der Pianist und Komponist Yoni Rechter unverzichtbar. Mehr als ein Begleiter, ein feinfühliger und klarliniger Künstler, mit dem sie seit gemeinsamer Israel-Tournee 1977 zusammenarbeitet. "Ich fühle mich bei ihm so sicher und vertraut, dass ich kein Orchester brauche. Wir sind uns treu im professionellen Leben." Sie ist überhaupt ein treuer Mensch, wenn sie einmal Vertrauen gefasst hat - zum Beispiel zu den Kammerspielen. "Es ist nicht die Bühne, warum ich dort auftrete. Ich liebe die Leute, fühle mich den Menschen vom Gefühl her verbunden. Ich würde zu ihnen immer Ja sagen."

Ähnlich ist es ihr mit Peter Zadek ergangen, als der Regisseur sie für die später legendär gewordene "Ghetto"-Aufführung gewinnen wollte und Ofarim zum Gespräch aus New York holte: "Ich habe ihn so toll gefunden, dass ich Ja sagen musste."

Ja sagen gelernt hat sie auch zu Hamburg. Esther Ofarim lebt hier seit zwölf Jahren an der Schlüterstraße mit ihrem Mann und dem bald 18-jährigen Sohn. Wohl nicht so ganz zufällig: In diesem Bezirk lag früher das Hamburger Judenviertel. Denkt Ofarim öfter daran, in die Heimat zurückzukehren? "Natürlich. Aber es ist kein Problem mehr. Ich bin öfter in Israel, als ich in München bin. Ich fahre ja alle paar Monate hin, um dort Konzerte zu geben." Mittlerweile ist sie zur Überzeugung gelangt: "Es nicht mehr so wichtig, wo man seinen Koffer hat."

Esther Ofarim lebt seit zwölf Jahren im Hamburger Grindelviertel. In den Kammerspielen wird sie am 23., 25. und 26. Dezember Lieder aus ihrer Heimat Israel singen - nicht nur, aber auch. Foto: KAMMERSPIELE

erschienen am 20.12.2000, Hamburger Abendblatt

         www.esther-ofarim.de