Esther Ofarim - Foto: Sippel - NZ-Online.de
Esther Ofarim - Concert in Nuernberg 2003
Picture taken from NZ-Online

Leise zieht durch ihr Gemüt
Kleine Frau, große Stimme: Esther Ofarim im Nürnberger Opernhaus
  
Wahre Fans können warten. Stunden, wenn der selbstlos geliebte Künstler wieder einmal zu spät kommt; Jahre, wenn er — warum auch immer, Mutterschaft oder Ideenmangel — länger pausiert; Jahrzehnte gar, wenn es denn (grausames Geschick!) wirklich sein muss: Wenn ein Star, kaum zu glauben, kein Star mehr sein will, wenn er kurz entschlossen abtritt von der Bühne und dem Beruf, allen gefallen zu müssen, und sich völlig ins eigene Leben zurückzieht. Sicher: Das schmerzt, das wirkt wie unschön schnöder Liebesentzug — aber wahre Fans können damit umgehen. Sie wissen: Jeder Star kehrt irgendwann zurück. Schon ihnen zuliebe.

Esther Ofarim hat wahre Fans. Die Sängerin hat noch keinen einzigen Ton gesungen, ja sie hat sich, zierlich wie einst, dem Publikum noch nicht einmal gezeigt. Doch kaum ist der Name — wie bei Veranstaltungen des Karstadt-Kultur-Cafés so üblich — huldvoll angekündigt, brandet im ausverkauften Nürnberger Opernhaus ein Applaus auf, der mehr ist als nur Applaus: ein lange und mühsam zurückgehaltener Liebesbeweis, eine stürmische Entladung, die nicht enden will, eine Erlösung.

Esther Ofarim: endlich wieder einmal zu sehen und zu hören! Eine der höchsten und hellsten Stimmen der 60er Jahre, damals mit Ehemann Abi im aparten Popduo weltweit gefeiert, meldet sich zurück — und geht, voll Melos und doch markant, mehr denn je zu Herzen.

Die Haare über dem Mausgesicht leuchten jetzt dunkelrot, aber den mädchenhaften Habitus hat Esther Ofarim, Jahrgang 1941, noch immer. Man spürt die strenge Disziplin der ausgebildeten Tänzerin — und dahinter eine Frau, die sich ihre Natürlichkeit nicht hat nehmen lassen. Hochkonzentriert steht sie hinter dem Mikrophon und könnte doch jeden Moment heiter davonspringen.

Die Hand Horst Königsteins, der diesen Abend für die Hamburger Kammerspiele erarbeitet hat, hat klug gewaltet. Es ist ein Chansonabend geworden, der Ruhe ausstrahlt und dadurch erst recht berührt: Kammermusikalisch arrangiert und sparsam akzentuiert von Yoni Rechter (Flügel), Michail Paweletz (Violine) und Eli Degibri (Saxophon), gibt er einer gereiften, doch ungealterten Sängerin den Raum für ihre sanfte Kunst.

Kaum Hits von damals (kein „Cinderella Rockefella“, dafür die „Dirty Old Town“), toll aufgefrischte Kurt Weills („Alabama-Song“), ein innig zelebrierter Leonard Cohen („Bird on a Wire“) und viele israelische Lieder, alte und neue, bilden das Programm, das völlig unpathetisch auch Zeichen einer deutsch-jüdischen Versöhnung ist. „Leise zieht durch mein Gemüt“ singt sie zuerst auf Hebräisch, „Guten Abend, gute Nacht“, das Abschiedslied, zuerst auf Deutsch.

Morgen, wenn wir wieder geweckt werden, werden wir weiter warten. Wolf Ebersberger
taken from NZ-Online

www.esther-ofarim.de