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Sie ist ein Dornröschen, und er ist ein Beatle. Sie kann tagelang im Bett entspannen, träumen, lesen - sehr langsam und nur
Theaterstücke. Er kann stundenlang twisten, flirten, plaudern - sehr lebhaft und nicht ohne Selbstironie. "Und weil die Leute den Mund nicht nur zum Essen haben", sagt Abi Ofarim, "sprechen sie von Scheidung, sobald sie herausgefunden haben, was für
Gegensätze wir sind." Dabei feierte das ungleiche Paar am 11. Dezember seinen 7. Hochzeitstag. Der Tänzer und
Choreograph Abraham Reichstadt, geb. am 5. Oktober, war 21, und die Schauspielerin Esther Zaied, geb. am 13. Juni in Zafed im biblischen Galiläa, war 18 Jahre alt, als sie schnell und schlicht zum Rabiner gingen. Die Eile war
verständlich: Esther diente den dritten Monat beim Militär, wo sie sich nicht gerade wohl fühlte und als Ehefrau gleich suspendiert wurde. Der mangelnde Pomp der Hochzeit war unumgänglich: Beide enstammen einfachen Familien, und Abis Vater hatte wenige Monate zuvor wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Freitod gesucht. Die Karriere der Esther Ofarim begann mit einem Kuß von Elisabeth Bergner, der heute in London lebenden großen alten Dame der deutschen
Bühne. Die Bergner trat in Israel in einer Wohltätigkeitsveranstaltung für Soldaten mit Rezitationen auf. Die dreizehnjährige Esther war ausersehen, der Künstlerin mit einem Kinderlied zu danken.
Erinnert sich Esther: "Sie war so wunderbar. Noch heute weiß ich in allen Einzelheiten, wie Frau Bergner ausschaute, wie sie sich bewegte, wie sie auf mich zukam, wie sie mich umarmte und küßte. Respekt hatte ich schon immer vor der Schauspielkunst, jetzt aber begann meine Liebe für die Bühne."
Zu der Liebe kam Talent, und Talent bedarf der Ausbildung. Woher sollte der Bauarbeiter Zaied, der sechs Kinder großzuziehen hatte, das Geld nehmen? Esther mochte die stark religiös gefäbrte Mädchenschule nicht, die Hochschule aber ist sehr
kostpspielig. Weil die ganze Familie von ihrem "Wunderkind" überzeugt war, das schon in der Hauptrolle von "Cinderella" auf der Bühne glänzte, gab es keine langen Diskussionen.
Esthers Mutter, eine bemerkenswerte Frau, entschied, dass zwei der Kinder in ein Kibbuz zur Schule gegeben würden. Sie selbst verdingte sich als Haushälterin. So bekam Esther die beste Ausbildung, die es gab - ohne je daran zu denken, Sängerin zu werden. Noch heute, glücklich über den Welterfolg ihres Lieblings, glauben die Zaieds mehr an die extreme schauspielerische Begabung ihrer Tochter. Da der Vater seit sechs Jahren herzkrank und arbeitsunfähig ist, sind sie heute auf Esthers (reichliche) Geldsendungen angewiesen.
Weniger umsorgt und behütet hat sich Ehemann Abi zu seinem Bühnenziel durchgeboxt. Erst arbeitete er in Vaters Werkstatt für elektrisches
Autozubehör, später in einer Fabrik ("Dabei habe ich zwei linke Hände"). Während seine Mutter
an Depressionen erkrankte, sein Bruder zur See fuhr und seine Schwester Friseuse lernte, nahm er in Abendkursen Ballettunterricht, bekam mit dreizehn Jahren ein Stipendium und hatte sich dann, lange bevor er volljährig wurde, bereits als Choreograph einen lokalen Namen gemacht.
Flitterwochen gab es bei den Reichstadts nicht. Dafür nach schwerer Arbeit gemeinsame Träume, manchmal mit Musik. Abi zupfte die
Gitarre und Esther sang - daheim in Mutters kleiner Stube. Der Plan, aus dieser Hausmusik einen lukrativen Nebenerwerb zu versuchen, stammt von Abraham. Er suchte schon lange nach einer List, die ihn aus der Fabrik herausbringen sollte ("Ich mag keine mechanische Arbeit"). Zunächst gab der Thaterklub dem jungen Paar die Chance, mehrere Wochen lang abends vor dreihundert Zuschauern eine Stunde mit einer Schau aus Tanz, Sketch und Moritätensongs auszufüllen. Die Gage war dem Idealismus aller Kunstbetätigung junger Leute in Israel angepasst, aber der
Erfolg stellte sich in Form eines Telegramms aus Tel Aviv ein. Der dortige Theaterklub engagierte beide für Hauptrollen in einem biblischen Stück um die Königin von Saba. Abraham musste nach zwei Wochen passen. "Die biblische Sprache war zu schwer für mich. Das ist so wie Skakespeare in Indien."
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