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Mad about the girl

 Gehört: Esther Ofarims Liederabend in den Kammerspielen

Erster Weihnachtstag in den Kammerspielen. Auf der Bühne wartet ein Mikrophon im Scheinwerferlicht. Man kommt ins Grübeln, wie lange es wohl her ist, dass Esther und Abi Ofarim deutsche Monoanlagen zum Scheppern brachten. Das war irgendwann in der Zeit des Schlagers. Mitte der achtziger Jahre dann eine Neuentdeckung: Esther Ofarim spielte Theater. Erst in Berlin, dann am Hamburger Schauspielhaus. Unter der Regie von Peter Zadek stellte sie eine junge Jüdin dar, die im Ghetto für den SS-Aufseher singt, um zu überleben. Den Nazi spielte damals Ulrich Tukur. Seit einigen Jahren kommt Ofarim nun mit einem Liederabend an die Kammerspiele.

Bescheiden steht sie schließlich hinter ihrem Mikrophon, die Hände wahlweise vor oder hinter dem Körper verschränkt. Etwas unterkühlt und steif wirkt sie zunächst, erst beim Beatles-Song "She's Leaving Home" taut sie auf und fängt an, ihren Gesang mit Gesten zu untermalen. Von nun an gönnt sie dem Publikum auch die eine oder andere Anmerkung zwischen den Stücken. Ofarim erzählt mit ihren Liedern - mal auf hebräisch, mal auf englisch - Geschichten. Nach jedem Lied nickt sie dem Publikum zu. Als wolle sie sagen: Ja, so war das.

Man kommt wieder ins Rechnen: Wie alt ist Esther Ofarim? Auf der Bühne wirkt sie einmal wie ein siebzehnjähriges Mädchen, das bei Tantchens Geburtstag singt und alle mit ihrem Talent ins Staunen versetzt. Im nächsten Moment ist sie ganz die berühmte Chansonette im Stile einer Juliette Greco. Das Programm reicht von einer Bearbeitung des biblischen Hohen Liedes bis zu Leonard Cohens "Bird on a Wire" und "Mad About the Boy" von Nöel Coward. Ofarim kann schrill und verletzlich klingen und gleich wieder mit voller Körperresonanz stimmliche Kraft entfalten. Von daher ist es fast zwangsläufig, dass sie auch Kurt Weill singt: den "Alabama-Song".

Fünf vorbereitete Zugaben haben nicht gereicht, das Publikum in den Kammerspielen verlangte mehr. Yoni Rechter am Flügel, Michael Paweletz an der Violine und Moshe Epstein an der Querflöte waren so begeisternd wie ihre Sängerin. Am Ende war der ganze Saal mad about the girl.

Christian Rubinstein

taz Hamburg Nr. 6635 vom 27.12.2001, Seite 18, 32 Zeilen (Kommentar), Christian Rubinstein,  Rezension

www.esther-ofarim.de