Esther Ofarim - Picture © Welt am Sonntag - Christa Kujath

"Wenn ich singe, dann fliege ich"

Am 11. und 12. April steht Esther Ofarim im St. Pauli-Theater auf der Bühne. Mit dem Kunstgeschöpf der sechziger Jahre hat die heute 62-Jährige nichts mehr gemein

von Günter Fink (taken from www.wams.de)

Esther Ofarim wirkt im Gespräch auch heute noch scheu und schüchtern. Ganz so wie früher, ganz ihrem Künstlernamen Ofarim entsprechend, dem israelischen Begriff für das "Rehkitz". In ihrer gemütlichen, bescheiden eingerichteten Altbau-Wohnung in Hamburgs Grindelviertel, gleich gegenüber dem Universitätsgelände, lebt die heute 62-Jährige zurückgezogen. Fast ist man geneigt, von Demut und Bescheidenheit zu sprechen, wenn man beschreiben will, wie sie sich im Moment auf ihre Konzerte in Hamburg vorbereitet.

Übrigens mit Hilfe von Antibiotika, um eine Erkältung auszukurieren. Doch die Hamburger Konzertbesucher können beruhigt sein: "Bis zu den beiden Konzertterminen bin ich garantiert wieder fit", versichert sie im Gespräch mit WELT am SONNTAG.

Ihre wandlungsfähige Stimme, die endlos lange, gläsern leise Töne halten, mühelos ins Espressivo federn und Oktavensprünge meistern kann - seit jeher ihr Markenzeichen - hat keinen Schaden genommen. Gemeinsam mit ihrem Geiger Michail Paweletz plant sie als Programm eine Mischung von hebräischen Liedern, Kurt-Weill-Kompositionen, Musical-Hits, amerikanischen Evergreens und Folksongs bis hin zu Titeln von Leonard Cohen und den legendären Beatles.

Mittlerweile sind ihre Liederabende nach einer sehr langen Schaffenspause, zu einem (höchst öffentlichen) Geheimtipp geworden.

Nach Drogenproblemen ihres Ehemannes Abi, Trennung der beiden und ihrer eigenen Probleme in der Rolle der Schlagersängerin mit Liedern, die sie eigentlich nie singen wollte , wurde es viele Jahre still um die sensible Künstlerin. Sie ging zurück nach Tel Aviv und tauchte erst 1979 wieder in Deutschland auf. Sie heiratete erneut, bekam einen Sohn und war wieder auf einer deutschen Bühne zu sehen. 1984 erhielt sie in Hamburg viel Beifall für ihre Rolle in Peter Zadeks Musical-Inszenierung "Ghetto".

Nach Jahren des Rummels und des Vagabundierens in den Sechzigern ("Mein Hauptwohnsitz war damals der Flughafen") hatte sie von alldem genug. "Ich brauchte damals dringend etwas Privatleben", erklärt Esther Ofarim ihre weitere fast 13-jährige Pause nach "Ghetto". "Ich habe es Gott sei Dank hier in Hamburg gefunden", sagt sie, die seit 1987 begeisterte Wahlhamburgerin ist. Reisen hat für sie heute einen anderen Hintergrund: Mehrfach im Jahr besucht Esther Ofarim Israel, um ihre Familie, ihre drei Brüder und ihre Schwester zu sehen. "Es macht mich furchtbar traurig, was zurzeit in meiner Heimat wieder passiert", meint Esther Ofarim bedrückt, "aber es hat doch keinen Sinn, immer nur nach Schuldigen zu suchen", kommentiert sie die aktuelle politische Lage mit schrecklichen Ereignissen, Terroranschlägen und militärischen Interventionen, bei denen gezielt Menschen getötet werden. "Ich liebe aber nach wie vor die Mentalität der Menschen meiner Heimat, die, was sich Außenstehende angesichts der Probleme des Landes kaum vorstellen können, sich ihre Fröhlichkeit bewahrt haben." Gab es früher noch zahlreiche Anfragen von Fernsehsendern nach Revival-Programmen, wie den Sechziger- und Siebziger-Shows - die Ofarim immer ablehnte - hat es sich inzwischen wohl herumgesprochen , dass sie heute nicht dort anknüpfen will, wo sie Ende der Siebziger aufgehört hat. "Das ist der Luxus sagen zu können: Ich bin alt genug, um bei dem Unsinn nicht mitzumachen."

 

"Wenn ich singe, dann fliege ich" (2)

 

Aus der Welt des Glamours mit ihren damaligen Markenzeichen - wallenden Gewändern zwischen Flower-Power und Neoromantik, Cleopatra-Frisur und riesige Nofretete-Augen, hat sich die 1941 als Esther Zaied in der kleinen Ortschaft Safed bei Nazareth in Palästina geborene Sängerin verabschiedet.

Endgültig vorbei auch die Zeiten, da sie mit ihrem damaligem Ehemann Abi ihre Karriere in einem kleinen Club in Haifa begann und mit ihm Welterfolge wie "Cinderella Rockefella" und "Morning of my Life" feierte. "Das war nie mein wahres Ich. Heute habe ich es gefunden", strahlt sie und lacht auf meine Frage, ob sie noch Kontakt zu ihrem damaligen Lebens- und Duettpartner Abi hat, von dem sie sich 1969 getrennt hatte. "Hätten Sie jetzt nicht nach ihm gefragt, ich hätte ihn vergessen."

Antworten wie diese sind Esther Ofarim pur. So wird es auch im St. Pauli-Theater sein: Ohne große Gesten, Posen, keine Show und keine einstudierte Choreografie.

Esther Ofarim kommt zum Singen, daher wird selbst die Mimik auf das Wesentlichste reduziert sein. Dabei ist ihr Anspruch an sich selbst nach wie vor hoch: "Wenn man beim Singen nicht fliegen kann, ist das nicht Singen. Man muss sich vom Atem tragen lassen. Wenn ich singe, bin ich in meinem Element. Musikmachen ist vielleicht die höchste Form des Menschseins."

Für Fans ist klar: Esther Ofarim ist kein Star, sie ist ein Erlebnis.

"Ein Abend", Konzert am 11. und 12. April im St. Pauli-Theater, jeweils 20 Uhr. Preise: 19 bis 35 Euro, zuzüglich Vorverkaufsgebühr. Ticket-Hotline: 040 / 47 11 06 66 und an allen bekannten Vorverkaufsstellen

Artikel erschienen am 4. April 2004,
taken from Welt am Sonntag

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www.esther-ofarim.de