(taken from WAZ)

Barocke Brocken, zerbrechliche Frauen

WAZ Recklinghausen. Ihrem Künstlernamen Ofarim ("Gazelle") macht sie immer noch alle Ehre. Zart und zerbrechlich wirkt Esther Ofarim, die mit einem Liederabend der leisen Töne die 56. Ruhrfestspiele Recklinghausen eröffnete.

Ein Start ins 12. Europäische Festival unter der Regie von Hansgünther Heyme, wie er leichter, nostalgischer und auch kürzer nicht hätte ausfallen können. Anderthalb Stunden lang sang die 61-jährige, in Nazareth geborene, in Hamburg lebende Künstlerin laut Programm Lieder einer "Reise durch Jahrhunderte und Kontinente". Ein nettes Potpourri ohne erkennbares Konzept.

Was Esther Ofarim vortrug, war eine Mischung aus älteren und neueren hebräischen Liedern, englischen Songs und Traditionals und drei Songs von Kurt Weill. Die Hits aus der Zeit mit ihrem ehemaligen Mann Abi Ofarim, "Cinderella Rocke-fella" oder "Morning of my Life", fehlten.

Im Kegel eines Scheinwerfers steht die kleine Frau mit den feuerroten Haaren fast allein auf der Bühne. Links ein Klavier und ein Keyboard, wunderbar beherrscht von Yoni Rechter, rechts Michail Pawletz, der mit seiner Geige herrlich die zweite Stimme singen kann. Esther Ofarim steht kerzengerade da, singt fast ohne Bewegung und wirkt leicht unterkühlt. Leider redet sie auch wenig, so dass dem Publikum Inhalt und Entstehungszeit der Lieder verborgen bleiben.

Mit großzügigeren Gesten begleitet sie ihren Gesang bei den Weill/Brecht-Songs. Sie wechselt vom leisen Schlaflied "Layla layla" in den ruppigen Alabama-Song, kann trotz hoher Stimmlage Kraft und Energie entwickeln, wenn sie von der "Dirty old Town" singt, und kommt gar einen Hauch verwegen daher, wenn sie "Mad about the Boy" (Noel Coward) ist.

Der Tonfall ist durchweg getragen, melancholisch, was besonders schön klingt bei Leonard Cohens herrlichem "Bird on a wire". Einer der musikalischen Höhepunkte ist Felix Mendelssohn Bartholdys´ Vertonung des Heine-Gedichts "Leise zieht durch mein Gemüt liebliches Geläute . . .", das sie erst auf Hebräisch, dann auf Deutsch singt.

Einer im Publikum, das viel Beifall spendete, war nach eigener Aussage voll und ganz "verzaubert": NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement gehörte wie viele Bundes- und Landespolitiker, Vertreter aus Wirtschaft und Kultur zu den Gästen des anschließenden Empfangs. Das Konzert, so Clement, habe auch etwas von der "Sehnsucht" (Motto der diesjährigen Festspiele) nach Frieden im Nahen Osten vermittelt.

Clement lobte das Konzept von Festival-Chef Hansgünther Heyme, warb aber auch für die Triennale-Pläne. Triennale-Leiter Gerard Mortier, der die Recklinghäuser Eröffnungspremiere besuchte, wird 2003 auch neuer Ruhrfestspiel-Chef.

05.05.2002 Von Elisabeth Höving




www.esther-ofarim.de