Balsam für die Seele

Recklinghausen. Die Sängerin Esther Ofarim hat mit einem einfühlsamen Liederabend die diesjährigen Ruhrfestspiele in Recklinghausen eröffnet.

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RuhrfestspieleNicht gerade ein spektakulärer, wohl aber ein sehr schöner Auftakt: Mit Esther Ofarims Liederabend sind ebenso klang- wie stimmungsvoll die Ruhrfestspiele Recklinghausen eröffnet worden.

Das Kulturfestival steht in diesem Jahr unter dem Motto "Sehnsucht", und die israelische Sängerin Esther Ofarim weiß mit ihrer Stimme diesem Wort tiefen Gehalt zu geben.

Ihr unvergessenes "Morning of My Life" aus dem Jahre 1967 stand zwar nicht auf dem Programm, dafür bot die Sängerin "eine Reise durch Jahrhunderte und Kontinente". Im Mittelpunkt standen jüdische Lieder, darum herum gab es Kompositionen von Leonard Cohen, Paul McCartney, Kurt Weill und Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Begleitet von Flügel (Yoni Rechter) und Geige (Michail Paweletz) erlebte der Ofarim-Abend seinen Höhepunkt in der Interpretation des jüdischen Liedes "Ten li jad" - gib´ mir deine Hand. Einfühlsam, melancholisch, aber zugleich auch zuversichtlich und entschlossen klangen die Zeilen zum Publikum herüber. Verse gegen die Einsamkeit, gesungene Reime gegen die Angst. Die Stimme der heute 61jährigen Künstlerin hat über die Jahrzehnte hinweg nichts von ihrer Strahlkraft verloren. Noch immer trägt eine langer, nicht enden wollender Atem die Melodiebögen in empfindsamste Höhen. Musik sei für sie die höchste Form von Kunst, meint Esther Ofarim, und wer sie erlebt, der versteht auch, dass sie sagt: "Wenn man beim Singen nicht fliegen kann, ist das nicht singen."

So scheint die zierliche Person tatsächlich vom Bühnenboden abzuheben, frei und erfüllt im Raum zu schweben und dabei Liebes- und Wiegenlieder behutsam, behütend und beschwingt zu interpretieren.

Ein Liederabend mit Esther Ofarim ist Seelenbalsam. Die Sehnsucht nach Frieden im Privaten wie im Politischen trägt die Stimme Esther Ofarims, führt die leisen, anmutigen Gesten und spiegelt sich irgendwie auch in dem langen, schlichten Gewand der Sängerin, mit dem sie vor ihre Zuhörer tritt. Kann man hier von Charisma sprechen?

Ja, ich glaube schon.

05.05.2002    Von Andreas Thiemann

taken from Westfalenpost


www.esther-ofarim.de