1967
Book with Esther Ofarim

Zauberwort Stereo - Book with Esther Ofarim
 Zauberwort Stereo - Musik hören - aber wie
hobby-Bücherei Band IX, 1967, 200 sites, author: Ernst Pfau
This book includes two sites written by Esther Ofarim and pictures, see below the German original:

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Esther Ofarim - picture taken from the book Zauberwort Stereo

Es begann mit einem Schrei

Ein Geleitwort von Esther Ofarim

Als der erste Mensch das Licht der Welt erblickte, stieß er einen Schrei aus. Und immer wenn in den nachfolgenden Jahrtausenden irgendwo auf der Erde ein Mensch geboren wurde, begleitete ein Schrei seinen Eintritt ins Leben.
War es ein Freudenschrei, ein Schrei der Lust? Oder ein Angstschrei, ein Schrei aus Furch? Ich weiß keine Antwort.
Aber ich weiß, daß dieser Schrei der erste Laut unserer Sprache ist, in welchem Land wir auch immer leben, der erste Ton des ersten Liedes, das wir irgendwann einmal zu singen beginnen. 
Die Jahre danach machen aus uns kleinen Individualisten eine graue Masse amorpher Wesen: Wir lernen die Schreie der Freuden und der Lust zu nuancieren, die Schreie der Angst und der Furcht zu modulieren, die Schreie des Zorns und der Wut akzentuieren.
aber ich meine: ein Schrei ist nackt, und er muß es bleiben, denn er kommt aus der Seele. Das muß man spüren.
Der Schrei ist intim, ob er mich trifft, ob ich ihn ausstoße. Er ist Protest und Klage zugleich. Er überstimmt die Sprache unseres Alltags. Klagelieder - seit Jahrtausenden in allen Idiomen der Menschheit gesungen - gehören zu den kostbarsten und eindringlichsten Schöpfungen der Musik. Ihren tiefen Sinngehalt beschwört noch das zarteste Pianissimo ebenso wie die brutal laute und peitschende Faszination elektronischer Wiedergabe.
Was immer man vom Schrei und den aus ihm geformten Liedern halten mag, seine Wirkung ist nicht zu unterschätzen. Er ist, wie es ein kluger Forscher und Psychologe einmal  formulierte: "ein höchst musikalisches Mittel, um ein Erleben, das aus den Tiefen des Blutes hervorgehoben wird, mit hellstem Bewußtsein darzustellen; aber nicht, um es für die Vorstellung zu spiritualisieren, sondern um den Zuhörer aus neue der Dämonie des Unbewußten anheimzugeben."


Ich habe dieses Phänomen in einige meiner Lieder aufgenommen und es von fast allen Bühnen Europas herunter, in den Städten des Nahen Ostens und in den großen Konzertsälen Amerikas erprobt. Immer hatte ich den Eindruck, daß meine Zuhörer speziell diesen Liedern - weil sie eine menschliche Story erzählen - mit ganz besonderer Anteilnahme folgten. Es war oft, als protestierten sie, zusammen mit diesen Liedern, gegen die festgefahrene und so oberflächliche Sphäre ihrer persönlichen Welt.
Das Lied, das eine Geschichte erzählt, ist laut wie ein Schrei. 
Das heißt, es ist eine letztlich aus dem Schrei entwickelte Kunstform. Egal ob ich es allein oder mit Abi singe, egal ob es Rhythmus oder Raffinesse begleiten, egal ob es verhalten oder gar schüchtern klingt.
Das gute Lied ist wie ein gutes Gedicht: Nicht die Phonstärke und nicht die markigen Worte machen seinen Wert aus. Strophen und Verse leben von ihrem Gehalt und von ihrer inneren Spannung.
Sie können die Probe aufs Exempel selber machen. Vielleicht legen Sie eine von Abi und mir besungene und bespielte Platte auf, falls Sie oder jemand in Ihrem Bekanntenkreis zufällig eine besitzen.
 Drehen Sie dann den Lautstärkeknopf bis zum Anschlag in beide Richtungen. Sie werden merken, daß es nicht die Lautstärke ist, die unseren Liedern Geltung verschafft, und daß wir Melodramatik nicht kennen. Aber Sie werden unschwer heraushören können, was ich Ihnen mit diesen Zeilen nahezubringen versuchte.
Ich weiß nicht, ob es gelang. (Denn wenn ich wirklich eine Begabung habe, so liegt sie ganz sicher nicht und er Tinte und in der Feder.) Es bleibt mir die Hoffnung, daß Sie verstehen, was ich will, wenn ich ein Konzertpodium betrete, mich einem Mikrofon anvertraue und gar mit Hilfe einer Schallplatte Ihre Türschwelle übertrete.
Sie werden mir als Frau nachsehen, daß ich die rätselhafte Welt der Technik, die fast täglich in Schallplattenstudios, Rundfunk. und Fernsehhäusern, auf Bühnen und Konzerpodien auf mich einstürmt, respektvoll übergangen habe. Es gibt Berufenere als mich, Ihnen diese Mysterien zu interpretieren. Außerdem: Die hobby-Bücherei will Ihnen ja gerade mit der vorliegenden Ausgabe das Tor zur Wunderwelt der Mikrofone und Schallplatten, der HiFi-Stereoanlagen und der Rundfunkgeheimnisse aufstoßen - dieser Wunderwelt, der Abi und ich so unendlich viel verdanken.
Ich durfte mich daher begnügen, Ihnen etwas ganz Persönliches von mir und von der Musik zu erzählen. Ich tat es mit viel Freude. Es war das erste mal überhaupt, daß ich für ein Buch schrieb.

Esther Ofarim

(Copyright 1967 by EHAPA-Verlag GmbH)

 

Esther & Abi Ofarim - picture taken from the book Zauberwort Stereo


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