Live
in Deutschland:
24.09.05 Potsdam, Nicolaisaal
20.01.06 Nürnberg, Opernhaus
Die erste Begegnung mit Esther Ofarim war wie ein Schritt zurück in die Zukunft. So jedenfalls kam es mir vor, als ich ihr im Frühjahr 2005 in einem Hamburger Restaurant gegenüber saß. Wochen vorher hatte ich im Flugzeug eine Kritik ihres Konzertes in der Frankfurter Alten Oper gelesen. Kaum gelandet, begann die Suche nach ihr. Es war fast so wie 1968, als ich im Fernsehen Baden Powell in einem Konzert der Berliner Jazztage sah, und am nächsten Tag eine lange Suche begann, um diesen Gitarristen auf eine Tournee zu bringen. Bei Esther Ofarim genügten ein paar Telefonate, um zu erfahren, dass sie eigentlich nicht in ein Tonstudio gehen wollte, das habe sie seit vielen Jahren nicht getan.
Natürlich gibt es bei mir Erinnerungen an die 60er Jahre, an ihre Hits und ihre Lieder, die damals nach Deutschland erstmals auch einen Hauch von Weltmusik brachten, Folklore in Poparrangements. Folk hätten das die Amerikaner genannt, bei denen sie ihre ersten Lieder aufgenommen hätten, sagt Esther Ofarim. Es war ja die Zeit Bob Dylans und Arlo Guthries und in Deutschland trafen sich Degenhardt, Süverkrüp und Wader zu den legendären Treffen auf Burg Waldeck.
Als wir dann 1983 in einer Epoche, in der man zum ersten Mal über Worldmusic sprach, mit Mercedes Sosa unsere erste LP und Künstlerin herausbrachten, war das Duo Esther und Abi bereits von den Bühnen abgetreten und Esther bereitete sich gerade nach langen Jahren der Zurückgezogenheit für ein Comeback in Zadeks berühmter „Ghetto“-Inszenierung am Hamburger Schauspielhaus vor. Und danach wurde es wieder still um Esther Ofarim. Nicht, weil es kein Interesse an ihr gegeben hätte. Sie wollte es so. Noch heute führt sie ein zurückgezogenes Leben in Hamburg. Handy, Fax und Computer braucht diese sehr lebendige und wache Person, die in vielen Bereichen bestens informiert ist, nicht. Sie ist ein Buch voller Geschichten. Aber ihre eigenen gibt sie nicht preis. Dafür erfüllt sie in ihren Konzerten Texte mit Gefühl und Emotion, die Poeten, Popmusiker und Volksdichter ersonnen haben. Das macht ihr Konzertrepertoire absolut zeitlos im Sinne einer Unabhängigkeit von Trends und Geschmack. Alexander Haase schreibt über ein Konzert der Ofarim: „Gerade die unprätentiöse Schönheit des Abends hat ihr aber großen Applaus und geradezu frenetische Begeisterung des Publikums eingebracht.“ (FR 31.1.2005)
Der Zufall meinte es gut. Es hatte Ende 2003 ein Konzert im ausverkauften Großen Sendesaal des NDR in Hannover gegeben, bei dem Esther begleitet vom NDR Pops Orchestra unter der Leitung von Peter Herbolzheimer gesungen hatte. Digital aufgenommen. Esther Ofarim und Peter Herbolzheimer kennen sich eine Ewigkeit. Ihr gemeinsamer Auftritt in „Bio’s Bahnhof“ in den 80er Jahren ist nahezu Legende.
Also ein Legenden-Meeting bei Tropical Music? In jedem Fall ein sehr lebendiges, für das das 66-köpfige NDR Pops Orchestra einen wunderbar zarten und unaufdringlichen Teppich ausbreitet. Esther Ofarim schwebt auf ihm, reiht über Genres und Schubladen hinweg ein hebräisches Wiegenlied an Kurt Weill, Paul McCartney und Mendelssohn-Bartholdy.
Zwei Namen - ein Orchester: Hinter dem
Namen NDR Pops Orchestra verbirgt sich die NDR Radiophilharmonie, einer der
renommiertesten Klangkörper der deutschen Orchesterlandschaft.
Dieses in Hannover ansässige Orchester, das im Mai 2000 sein 50-jähriges Jubiläum
feierte, ist seit Jahrzehnten für sein umfangreiches Repertoire bekannt, das
von der großen sinfonischen Literatur über die sogenannte
"U-Musik" (Musical, Filmmusik, Operette etc.) bis hin zur zeitgenössischen
Musik reicht. Darüber hinaus streift es immer wieder die Bereiche des Jazz und
der Popmusik.
Unter dem Namen NDR Pops Orchestra ist das Orchester seit 1998 immer dann zu hören,
wenn es in den Crossover-Bereich geht und mit Stars der internationalen Pop- und
Rockszene zusammentrifft.
Ganz nach amerikanischem Vorbild - man denke z. B. an das Boston Symphony
Orchestra, das sich zudem als Boston Pops einen Namen machte - ist das NDR Pops
Orchestra eines der wenigen Orchester dieser Art in Europa. Es arbeitete u.a.
mit Al Jarreau, Patricia Kaas, Herbert Grönemeyer, Bobby McFerrin und Al
Jarreau, Ray Charles und Randy Crawford sowie mit Lionel Richie und Xavier
Naidoo.
Wie bei allen Konzerten
der letzten Jahre war Esthers musikalischer Leiter Yoni Rechter aus Israel als
Pianist und Arrangeur der meisten Lieder mit auf der Bühne.
Auf Esther Ofarims
zahlreichen Fan-Internetseiten führen die Fans ihrer ‚Jahrhundertstimme’
akribisch Buch über ihre Lieder, Konzerte und Aufnahmen. Sie werden sich
freuen: ihren großen Hit „Morning of my
Life“ hatte sie zum letzten Mal 1969 gesungen. In Hannover sang sie ihn
wieder, überredet und nach anfänglichen Widerständen. Es bleibt die vorerst
einzige Reminiszenz an die sechziger Jahre in einem zeitlosen, aber nicht der
Zeit entrückten Programm. Dieter Bartetzko, dessen FAZ-Kritik den Anstoß für
diese CD gegeben hatte, schrieb: „Eine
Mondwanderin hat das Publikum am Ende dieses Konzerts erlebt. Natürlich war man
auch gekommen, um nach langer Zeit jener Sängerin wieder zu begegnen, die in
den sechziger Jahren die Bundesrepublik regelrecht verzaubert hatte. Ihr
Charisma, das damals Schreiber zu schwärmerischen Formeln wie "junge
Cleopatra", "Spatz von Haifa" oder "Rehkitz" verführte,
ist nahezu unverändert. Eine zarte Frau steht auf der Bühne, großäugig noch
immer, und noch immer so verhalten wie einst. Kaum eine Bewegung, wenig Conference,
ab und dann ein Lächeln. Was sofort in Bann zieht, ist die Stimme, biegsam, zu
hauchzartem Flüstern ebenso fähig wie zum gutturalen Schrei, zu Stahl werdend
oder zu Seide. Damit lebt jedes Lied auf, so sehr, dass sich die Sängerin
schließlich doch mittels Gestik und Mimik in die Gestalten verwandelt, die sie
besingt. Und das sind unendlich viele: glücklich und verzweifelt Liebende, Kämpferinnen,
Zaghafte, Sirenen, Trampel, Hexen, Straßenmädchen, Tippsen und Diven. Aber
alle werden sie schließlich, was Esther Ofarim für ihre Zuhörer ist - eine
Mondwanderin zwischen den Zeiten und Welten.“
Die internationale Karriere der Esther Ofarim hatte vor vielen Jahren begonnen. Sie ist noch lange nicht zu Ende. Zunächst einmal ist sie „Back on stage“. Mal sehen, was noch kommt.
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