taken from Bremer Nachrichten

„Leise zieht durch mein Gemüt“


Esther Ofarim sang im Musicaltheater „Liebes- und Wiegenlieder“


Von unserem Redakteur
Rainer Mammen

Ach, dieses Wiedersehen hätte man sich wohl intimer vorstellen können! Eine so winzige, so grazile und fragile Person in einem derart klotzigen Millionengrab – würde das denn überhaupt gut gehen? Esther Ofarim sang im Bremer Musicaltheater, und siehe: Es ging sehr gut. Kaum hatte sie ihr Programm begonnen – mit zwei bekannten Liedern aus ihrer Star-Zeit, den 60er Jahren – da hörte man das Scheppern der Lautsprecher schon nicht mehr, da schnurrte schon der riesige, vielleicht halb gefüllte Saal zu einer menschlichen, tatsächlich intimen Dimension zusammen, denn sofort sah und hörte man ja überhaupt nur noch eine(s): Esther Ofarim, diese große Sängerin, gebürtig aus Israel, wohnhaft zu Hamburg.
„Liebes- und Wiegenlieder“ hatte sie angekündigt – und ein bisschen schade war es schon, dass es keinen Programmzettel gab, auf dem man die verschiedenen Titel und vor allem auch die Namen ihrer instrumentalen Begleiter (Piano, Violine, Sax./Klarinette) hätte nachlesen können. Sie sang Englisches und Französisches, Spanisches sogar und vor allem Hebräisches; sie sang Robustes (Kurt Weills „Alabama Song“) und Zierliches (hinreißend: Leonard Cohens „Like a Bird On a Wire“); sie sang aus Musicals („Somewhere Over the Rainbow“) und aus Hitparaden („She’s Leaving Home“ von den Beatles) – aber das alles sang sie so, wie wirklich nur sie es singen kann und sonst niemand auf der ganzen weiten Welt.
Wie singt Esther Ofarim denn? Wäre man Musikkritiker und nicht Dilettant (i. e. Liebhaber), man fände wohl gelehrtere Worte für das, was ihre Stimme ausmacht: Wärme. Süße. Vollkommene Klarheit. Singt Esther Ofarim vielleicht wie ein Glockenspiel? Nein, weil ein Glockenspiel nicht zugleich auch wie Samt und Seide klingen könnte, gar nichts von dem Schmelz besäße, der uns bei ihrem Vortrag so heftiges Herzklopfen bereitet. Und dann singt natürlich auch ihr Körper mit, sehr zurückhaltend, sehr wirkungsvoll: Die Hände vor allem führen eine fließende Sprache, sagen Zärtliches oder Dramatisches, und gerät die Musik einmal ins Tänzerische, so geschieht zuweilen gar ein kleiner Ausfallschritt, bei dem die silbernen Absätze lustig aufblitzen an ihren Pumps. Ihre Begleitmusiker, übrigens, stören um so weniger, je dezenter sie sich zurückhalten.
Dies gelang besonders anrührend im kleinen Zugabeteil, der in der Mitte einen der größten Hits der Ofarim enthielt(„In the Morning of My Life“), dessen Rahmen jedoch Mendelssohn und Brahms bildeten. Zunächst sang Esther Ofarim „Leise zieht durch mein Gemüt“, dabei Hebräisch einsetzend und schließlich – erstmals an diesem Abend! – ins Deutsche fallend. Beim abschließenden „Guten Abend, gut’ Nacht“ verfuhr sie genau umgekehrt und fügte sogar noch eine englische Textversion hinzu. Derart polyglott umgarnt und umarmt aber hätte man wahrhaftig weinen mögen vor lauter Geborgenheit und Glück – und am Ende tat man es ja auch.

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www.esther-ofarim.de