taken from crazewire.de
Kommen wir wieder einmal zu einem ausführlichen Blick über den Tellerrand. Die zu besprechende Künstlerin ist keine Neuentdeckung aus dem Hinterhof und verfügt doch über ihre ganz eigene Credibility. Obgleich sie hierzulande wohl hauptsächlich als weiblicher Teil des bereits 1970 geschiedenen Ehepaars Esther und Abi Ofarim bekannt ist, hat die Sängerin aus Israel in ihrer langen Karriere außer „Cinderella Rockefella“ noch ganz anderes zustande gebracht. Vor einigen Jahren durfte man einiges davon bereits dank der Wiederveröffentlichung „Esther Ofarim In New York“ kennen lernen und nun ist es Zeit für Runde zwei.
„Esther Ofarim in London“ ist Musik, wie sie selten auf dieser Seite präsentiert wird und doch keinen Deut weniger interessant. Mancher mag sogar sagen kostbarer als die meisten saisonalen Höhepunkte, weil dem Zwang der Tagesaktualität entbunden. Jazz, Klassik, Folk und Pop werden zu einer im positiven Sinne theatralischen Mischung vereint. Ursprünglich wurden diese Aufnahmen 1972 als selbst betiteltes Soloalbum veröffentlicht und zeigen Ofarim als gekonnt im Umgang mit fremden Kompositionen.
Produziert hat das Ganze Bob Johnston, dessen Ruf in Fachkreisen den seiner Künstlerin gar noch bei weitem übersteigt, zeichnet er doch für anerkannte Meisterwerke wie „Blonde On Blonde“, „Johnny Cash At Folsom Prison“ oder Leonard Cohens „Songs From A Room“ verantwortlich. Gemeinsam mit Ofarim war es sein Anliegen, einen Klang zu schaffen, der pompös, aber intim sein sollte und so war ein vielköpfiges Orchester vor Ort, als in London die Aufnahmetaste gedrückt wurde. Tatsächlich gelingt es Produzent, Musikern und der Sängerin ihren eigenen Zielsetzungen gerecht zu werden. Zeitweise türmt sich eine bombastische Kulisse auf, durch die sich der Gesang beinahe wie ein Flüstern schmeichelt. Dann, wie in der Interpretation des Cat-Stevens-Stücks „Morning Has Broken“ thront und triumphiert die Stimme über allem. Neben neuen Versionen bekannter Nummern, gibt es eine Reihe Songs, die Johnston für das Album geschrieben hat, wie „Waking Up“, das zudem als Bonus noch im Single Edit enthalten ist.
Beeindruckend ist es zu hören, wie aus dem eher spröden und bewusst schlicht gehaltenen „Suzanne“ aus der Feder Leonard Cohens, hier ein tragisches Klangschauspiel wird, dessen Wucht einen anfangs überfordern mag. Für diese Lieder sollte man sich Zeit nehmen.