Siebzig Minuten Romantik
Esther Oarim mit einem Liedprogramm in der Oper
Der Beginn schien alle Befürchtungen zu bestätigen, denn Esther Ofarims erste
Melodielinien litten unter Kurzatmigkeit und einem unüberhörbaren starken
Vibrato. Also doch? Eine Frau, die mit 64 am Ende ihrer stimmlichen
Möglichkeoiten ist? Zum Glück handelte es sich um Einschwingvorgänge, die
spätestens beim dritten Lied kaum noch spürbar waren. Doch selbst wenn es
unverändert bei den Anfangsproblemen geblieben wäre, hätte das Publikum in der
Oper nichtminder freundlich reagiert.
Das Alter der Besucher entsprach in etwa dem der Sängerin; man wollte offenbar
Erinnerungen an die Jugendzeit auffrischen. Die große Zeit der israelischen
Sängerin lag in den sechziger Jahren, nachdem sie 1960 eine Rolle in Otto
Premingers berühmtem Film "Exodus" gespielt hatte. Gemeinsam mit
ihrem Mann Abi feierte Esther Ofarim einige Jahre Triumphe als Showstar in
Konzerten und bei internationalen Schlagerfestvials, aber inzwischen ist ihr
1982 geborener Sohn Gil (Anmerkung von
esther-ofarim.de: Irrturm der Zeitung, er ist nur der Sohn von Abi)
der erste, an den man denkt, wenn der
Name Ofarim im Zusammenhang mit Popmusik genannt wird. Schon früher war Esther
Ofarim keine Rockröhre. Ihre Stärke lag eher im Lyrischen und Liedhaften im
Stil der "Melodie einer Nacht", mit der sie 1963 den zweiten Preis
beim Eurovisions-Wettberwerb gewann. Im Lauf der Jahre hat sie ihr Repertoire
weiter zum Romantischen hin verschoben und dabei zu anrührender Einfachheit
gefunden. Sie ist mit leisen Tönen am überzeugendsetn, gleichgültig, ob sie
ein altes schottisches Lied, einen klassischen Blues wie "Every night when
the Sun goes in" oder ein israelisches Lied wie ihren alten Hit
"Laila, laila, haruach goveret" singt. Wenn sie versucht, etwas
gröber zu artikulieren, gelingt das bei weitem nicht so gut. "Moon of
Alabama" aus Kurt Weills "Mahagonny" gehörte nicht zum Besten
des Programms. Manche mögen "Somewhere over the rainbow" vielleicht
etwas kitschig gefunden haben, müssen aber zugleich einräumen, dass Ofarim
dieses Lied - wie auch alle anderen - ohne jeden äußerlichen Effekt und mit
nur ganz wenig elektronischem Hall gesungen hat. Auch die Begleitung mit
Violine, Bass und Klavier passte sich der Behutsamkeit des Ganzen an, wobei
alleredings die Gesangszutagen des Pianisten nicht unbedingt als Gewinn gelten
müssen. Dass die israelische Sängerin viele Lieder ihres Lands in hebräischer
Sprache singt ist selbstverstänldich. Man darf das auch mit Recht von ihr
erwarten. Aber ebenso sollte man erwarten dürfen, dass man über die
Liedinhalte besser als geschehen inormiert wird, zumal keine Programmhefte oder
andere Informationsmaterialien zur Verfügung standen. Peter Zacher, Dresdner
Neuste Nachrichten, April 7, 2005