Mit dem Verwöhnaroma
Ein Abend mit Esther
Ofarim in der Alten Oper
VON ALEXANDER HAASE
"Herrlich",
stöhnt der junge Mann mit dem Seitenscheitel laut und vernehmlich in die
Dunkelheit des Großen Saals der Alten Oper. "Oh, herrlich,
herrlich!" Immer wieder grunzt er vor Begeisterung, hörbar
enthusiastisch und mit deutlich erkennbarem saarländischen Akzent. Peinlich
berührtes Räuspern in den umliegenden Reihen: Wir sind hier nicht bei einem
Rockkonzert, junger Mann, möchte manch einer wohl damit sagen. Wir sind hier
bei einem Liederabend mit Esther Ofarim, einer ernsthaften Künstlerin. Da hält
man sich ein bisschen zurück.
Moment mal: Esther Ofarim?
Wenn man nur lange genug wartet, kommt ja alles irgendwann wieder:
Nierentische, Schlaghosen, Moonboots - der ganze Plunder eben, den eigentlich
zu recht niemand vermisst hat. Mit Musikern, die irgendwann mal einen Hit
hatten, verhält es sich durchaus ähnlich: Von einem internationalen
Top-Ten-Hit, den jedermann ein bisschen toll findet, aber keiner so richtig,
kann man jahrzehntelang angenehm leben. Hier mal ein Remix, da mal ein
Gala-Auftritt beim Silvesterball des Dachverbandes der deutschen Schnürsenkelhersteller
- das ist zwar nicht direkt das Jet-Set-Dasein, das man sich gemeinhin so
vorstellt, aber immer noch besser, als sich zusammen mit den anderen Pfeifen
von irgendeinem Privatsender für irgendein Reality-Format verheizen lassen zu
müssen.
Esther Ofarim könnte leicht ein solcher Name sein: In den 60ern ein paar Hits
mit ihrem Mann - wie hieß er noch gleich? - später dann die übliche
Ochsentour durch die Festzelte und Erinnerungsshows. "Cinderella
Rockefella" bis zur Rente. Auf einen solchen Weg hatte Esther Ofarim aber
wohl nicht so richtig Lust: Nach dem Ende des Duos Abi und Esther Ofarim
verlegte sie sich rasch auf einen neuen musikalischen Stil, statt die alten
Erfolge zu kopieren, und machte ansonsten nicht mehr viel von sich reden. Das
ist bis heute so geblieben.
Wenn also ein Konzert der Sängerin sehr allgemein als "Ein Abend mit
Esther Ofarim" angekündigt wird, muss man nicht unbedingt eine Ahnung
davon haben, was einen erwartet. Die Bühne in der Alten Oper ist sparsam
ausgestattet: Ein Flügel für ihren Begleiter Yoni Rechter; zwei Stühle, auf
denen der Geiger Michail Paweletz und der Saxophonist Eli Degibri Platz
nehmen. In der Mitte ein Mikrophon, hinter das sich Esther Ofarim stellt und
hinter dem sie den ganzen Abend über fast regungslos verharren wird. Das
Programm beginnt leise mit einigen Traditionals, volksliedhaft simplen Stücken,
die Esther Ofarim allerdings mit großer Stimme zum Tragen bringt. Dazwischen
ein, zwei Sätze, mit denen sie sich an das Publikum wendet und das jeweils nächste
Lied ankündigt. Sonst nichts.
Weit über 20 Stücke singt Esther Ofarim, hinzu kommen zwei Instrumentals,
die Yoni Rechter geschrieben hat - ein roter Faden ist in ihrem Programm
jedoch nicht zu erkennen: Von Randy Newmans traurigem "In Germany before
the war" über ein Liebeslied zurück zu "She's leaving home",
der Ballade der Beatles über jugendliche Ausreißer - ein Zusammenhang ergibt
sich hier nicht aus den Stücken, die Esther Ofarim singt, sondern daraus,
dass sie und wie sie die Lieder singt: Auch wenn das Publikum gelegentlich bei
den ersten Takten eines Songs klatscht, weil es sich um einen Favoriten
handelt - an diesem Abend geht es um Esther Ofarims Stimme. Und die ist in der
Tat ungewöhnlich wandelbar: Melancholisch bei Randy Newman, träumerisch klar
bei den Traditionals, schwelgerisch bei Noel Cowards "Mad about the
boy" und burschikos bei Brecht und Weills "Alabama Song".
Es ist vielleicht der beste Weg, mit vergangenem Ruhm umzugehen: ihn einfach
ignorieren. Esther Ofarims Programm mag ein wenig zu gefällig sein, ein wenig
zu beliebig - gerade die unprätentiöse Schönheit des Abends hat ihr aber
großen Applaus und geradezu frenetische Begeisterung des Publikums
eingebracht. Und als sie als Zugabe mit "Morning of my life" doch
noch einen alten Hit singt, freut sich auch der junge Saarländer mit dem
Seitenscheitel wieder: "Herrlich, darauf habe ich schon die ganze Zeit
gewartet!" Da wird er wohl der einzige gewesen sein.
taken from fr-aktuell.de
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www.esther-ofarim.de