Von Walter Fischer
Zwei Jahre nach ihrem überraschenden Comeback-Konzert kehrte Esther Ofarim
in die Alte Oper Frankfurt zurück.
Schüchtern wirkt Esther Ofarim, fast unsicher, als sie die Bühne betritt,
und man merkt: Das sind nicht mehr die Bretter, die ihr die Welt bedeuten. Fünfzehn
Jahre ist es her, dass sie sich aus dem Rampenlicht zurückgezogen und in
Hamburg ein Leben mit neuen Prioritäten eingerichtet hat – ein Privatleben,
ein Familienleben. Vor zwei Jahren hatte sie ihr Comeback mit traditionellen
israelischen und englischen Liedern, Musicalsongs, Balladen und Stücken der
Klassik. Am Repertoire hat sich seither nicht viel geändert, und es sind auch
dieselben Musiker, die sie auf ihrer jetzigen Tournee begleiten.
Rechts von Esther Ofarim sitzt
Yoni Rechter am Flügel, links Michael Paweletz an der Geige und Eli Degibri
am Saxofon. Die Musiker spielen solide, instrumentale Kabinettstückchen sind
an diesem Abend nicht gefragt. Das Publikum möchte die kleine Frau mit der
großen Stimme hören, und diese Stimme vermag noch immer zu begeistern. «Wally,
Wally», ein altes schottisches Lied, gibt die Richtung vor: Liebe und Enttäuschung,
Sehnsucht und Unterwegssein. Es ist ein Abend in Moll, fast ausschließlich
mit Liedern jüdischer Komponisten. Paul McCartney bildet eine Ausnahme. Sein
schön sentimentales «She’s Leaving Home» zählt zu den Paradestücken der
Künstlerin. Die zweite Ausnahme machen die Bee Gees, die mit «Morning Of My
Life» den größten Hit für Abi und Esther Ofarim geschrieben haben. Natürlich
erreicht Ofarim in den Höhen nicht mehr die Leichtigkeit ihrer frühen Jahre,
was aber ganz normal ist. Beim «Alabama-Song» von Kurt Weill, schön
interpretiert, fehlt ihr indes die Authentizität. In der dämonischen
Interpretation eines Jim Morrison wirkt die verzweifelte Suche nach der nächsten
Whisky-Bar doch glaubhafter. Der «Gruß» von Felix Mendelssohn-Bartholdy
beschloss das Konzert. «Leise zieht durch mein Gemüt liebliches Geläute . .
.». Esther Ofarim sang hier zunächst hebräisch, dann deutsch. Ein
vielleicht unbewusstes Detail der Völkerverständigung.