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Über dem Regenbogen

Für viele ist Esther Ofarim eine Erinnerung aus der Jugend: Ihre Fans sind mit ihr älter geworden, aber ihnen sieht man das Alter deutlicher an als dem Star. Die Sängerin, die in den sechziger Jahren (mit ihrem damaligen Ehemann Abi Ofarim) ihren Durchbruch feierte, scheint zeitlos zu sein.


Mal elegisch, mal kess: Esther Ofarim kann es immer noch. Foto: Heusel

Ihre Stimme ist etwas nachgedunkelt, aber sie schwebt noch immer – ein bisschen zugespielter Hall hilft dabei. Der Haarschopf leuchtet tizianrot, so wie schon vor knapp fünf Jahren, als sie im NDR-Sendesaal auftrat. Jenes Konzert war ausverkauft gewesen, jetzt sind die Reihen im Theater am Aegi doch deutlich gelichtet.

Auch im NDR-Konzert 2003 hatte  Esther Ofarim mit dem Pianisten Yoni Rechter und dem Geiger Michael Paweletz gearbeitet, ehe sie in der zweiten Programmhälfte gegen das NDR Pops Orchestra und überdicke Orchesterarrangements antreten musste. Diesmal blieb alles sehr kammer(jazz)musikalisch. Erst gab Yoni Rechter den Klavierton vor, dann stieg Paweletz ein – und wenn sein Geigenton mit Esther Ofarims Timbre verschmolz, dann konnte man schon einmal eine kleine Gänsehaut bekommen. Später ergänzt ein Kontrabassist das eingespielte Trio. Der Mann heißt Albert Sommer, aber so genau ist das in Esther Ofarims Ansage nicht zu verstehen – ein gedrucktes Programm gibt es nicht.

Der ganze Abend wirkt denn auch ein bisschen improvisiert. Und wer nicht vorher im Internet gelesen hatte, dass das Programm nur eine Stunde und 20 Minuten dauern werde, der war nach 70 Minuten etwas irritiert, als Esther Ofarim von der Bühne abtrat. War das nun eine späte Pause oder ein frühes Konzert ende? Vorsichtshalber klatschte und klatschte man – und bekam Zugabe um Zugabe. Aber wenn Esther Ofarim (nach der Ansage, das Lied stamme von Johannes Brahms – man weiß ja nie) „Guten Abend, gut’ Nacht“ anstimmt, dann weiß der Ofarim-Fan, dass nun endgültig Schluss ist. Da war es halb zehn. Zuvor hat Esther Ofarim im Liederbuch ihrer Karriere geblättert, aber auch neuere Seiten aufgeschlagen, nicht zuletzt mit Songs von Yoni Rechter, der auch schon mal mitsingt.

Natürlich fehlen die großen Hits nicht, aber die Schlagersünden ihrer Frühzeit sind vergessen (und vergeben). Von „Dirty Old Town“ über „Layla Layla“ bis zu „Morning of my Life“ reicht der Bogen – und der Regenbogen darf auch nicht fehlen: „Somewhere over the Rainbow“ intoniert Esther Ofarim so souverän, als habe es nie eine Judy Garland gegeben. Es gibt zeitgenössische und überlieferte Lieder auf Hebräisch und kunstvolle Songs von Kurt Weill: vom „September Song“ bis zu „Moon of Alabama“. Leonard Cohens „Bird on a Wire“ klingt wie eine existenzielle Daseinsbeschreibung, und wenn sich zu viel Elegie breitmacht, dann gibt sich die Ofarim kess und ist „Mad about the Boy“. „She’s leaving home“ der Beatles wird zum intensiven Minihörspiel. Und wenn sie zart erzählt, was so leise durch ihr Gemüt zieht, dann möchten die einen sie (be)schützend in den Arm nehmen und die anderen mit ihr träumen.

Sie kann es immer noch: Ihr Publikum fesseln, mit dem ganz eigenen Garn umspinnen, mit dem unverwechselbaren, schillernden und schimmernden Timbre be- und verzaubern. Das trägt dazu bei, dass ihre Lieder nicht von gestern sind, sondern wie aus einer anderen Welt klingen.

Nach Standing Ovations und langem Beifall ein letztes Winken – und dann war sie weg. Wahrscheinlich entrückt ins Reich der zeitlosen Feen.

Von Rainer Wagner


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www.esther-ofarim.de