HANNE
LANDBECK
Die Bühne ist dunkel, leise schleicht ein schwarz
gekleideter Herr zum Flügel. Schlägt ein paar Töne an.
In diese erwartungsvolle Finsternis tritt schüchtern fast
der Star des Abends: Rot leuchtet das Feuer ihres Schopfes
über der blassen Haut des jugendlich wirkenden Gesichts,
ihr Körper ganz in schwarz gehüllt. Ohne Introduktion
beginnt die mittlerweile 64jährige, als habe es nie ein
Altern gegeben, zu singen, von der Liebe, der Angst, der
Liebste könne gehen. Die Gefühle werden klar, rein und
über Esther Ofarims Stimme durchaus glaubwürdig
transportiert. Das Publikum im voll besetzten Saal ist
sofort auf ihrer Seite, ihre schüchterne Mädchenhaftigkeit
wird durch Vertrauen und Begeisterung belohnt.
So war das immer, Esther Ofarims zurückgenommene Präsenz
hat einen umwerfenden Charme, der auch vierzig Jahre nach
ihrer ersten Karriere, die sie damals mit Abi Ofarim aus
Israel in die gesamte Welt katapultierte, noch wirkt.
Sparsam sind ihre Bewegungen, minutiös eingesetzt unterstützen
sie die Modulationen ihrer Stimme.
Ihre Liebe
ist international
Das Programm ist eine Mischung aus israelischen Liedern,
Beatles- und Weill-Songs, eine Komposition aus großen Gefühlen
und ironischer Distanzierung. Wenn es - auch durch die
Geigentöne von Michail Paweletz - manchmal an den Rand
des Kitsches gelangt, schafft es die kleine Frau, durch
nur eine Handbewegung die Dinge wieder ins Lot zu rücken.
Ihre Liebe ist international, mal englisch, mal französisch,
mal hebräisch. Es gibt für Israel den Frieden "I
bring you peace", aber auch die Trauer um ein Mädchen:
in dem Randy-Newman-Song "In Germany before the
war", in dem ein Geschäftsmann sehnsüchtig über
den Rhein schaut und letztendlich das kleine Mädchen mit
dem goldenen Haar und den grauen Augen tötet.
Dann erste Bravo-Rufe,
erstes Trampeln
Nach dem September-Song von Kurt Weill kassiert Ofarim
bescheiden, aber erfreut, erste Bravo-Rufe und erstes
Trampeln.
Ebenfalls schlicht sind die Bühneneffekte, nur manchmal
wird mehr Licht auf die Vierergruppe gegeben, und dann dürfen
auch die Herren in den Vordergrund. Allen voran ihr langjähriger
Songpartner Yoni Rechter am Flügel, der ihr
Chorbegleitung gibt.
Alles legt Ofarim in ihre Stimme, Angst, Trauer,
Sehnsucht, Ironie. Scheinbar naiv geht es zu, wenn sie das
französische Kinderlied "Do, do, enfant do"
durch ihren Gesang zum großen Klangerlebnis werden lässt
und dadurch zeigt, dass sie auch auf kleinste Regungen
achtet. Ihr Freiheitsdrang jubiliert im Beatles-Song
"She is leaving home" übermütig, triumphal
zieht die Frau von Zuhause aus.
Die Unterschiedlichkeit der Lieder wird allein durch die
Person zusammengehalten: ihr Stil ist sie selbst. Auf
Bitten des stehend applaudierenden Publikums gibt sie nach
nur 70 Minuten Konzert drei Zugaben, verschmitzt auf ihren
ehemaligen Erfolg anspielend, intoniert sie "In the
morning of my life", um danach erstmals deutsch zu
singen: "Leise zieht durch mein Gemüt". Sicher
hat sie da die Gemüter der Zuhörer im Griff, aber auch
die verstehen, als sie sie mit "Guten Abend, gute
Nacht" freundlich, aber bestimmt, in den lauen Abend
entlässt.
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