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http://www.mopo.de/nachrichten/103_kultur_50276.html
Sehnsucht, Trauer und Melancholie
NICOLE RÖNDIGS
Gefeierter Liederabend in Moll: Esther Ofarim sang im ausverkauften St.
Pauli-Theater
"Ofarim" ist hebräisch und bedeutet "Gazelle". Das
schöne, scheue Lebewesen
hatte sich am vergangenen Wochenende auf die Reeperbahn begeben und im
St.
Pauli-Theater ein geradezu applauswütiges Publikum entzückt. Auch wenn
das
mit dem Weltruhm schon lange her ist: In Hamburg ist Esther Ofarim immer
noch ein Star. Das St. Pauli-Theater platzte angesichts des Andrangs,
das
bloße Erblicken der 62-jährigen Sängerin führte zu Begeisterung wie nach
einem Dreistunden-Konzert. Dabei war der Liederabend so kurz wie
schlicht:
sechzig Minuten Violine, Piano, Bass und Gesang. Um einen Saal voller
Menschen glücklich zu machen, reichte das völlig aus. Das Publikum war
erst
nach der fünften Zugaben zu beruhigen - durch Lichtausknipsen.
Esther Ofarims dominierende Tonart ist Moll. Draußen auf dem Kiez
dämmerte
es, drinnen sang die gebürtige Israelin traurige hebräische Lieder,
dazwischen Songs von den Beatles, Leonard Cohen und Kurt Weill. Gleich
mit
"Every Night" webte Esther Ofarim einen Mantel aus wohliger
Melancholie. Es
folgten Sehnsuchtslieder wie Weills "September Song". "Dirty Old Town" klang
nicht bitter, sondern wehmütig. "Over The Rainbow" schrammte
die
Kitschgrenze. Egal: Man rutschte gern noch ein wenig tiefer in diese
Sentimentalität und ergab sich dem Zauber von Esther Ofarims zartem,
klaren
Organ.
Ganz am Schluss blitzte noch eine andere Facette auf. Beim letzten
Stück,
Noel Cowards "Mad About The
Boy", wurde die Chanteuse witzig, sogar kokett.
Steht ihr hinreißend, fand das begeistert klatschende Publikum. Die
Gazelle
hat auch komisches Talent.