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RECKLINGHAUSEN. Das große Festival-Thema heißt diesmal "Sehnsucht". Und Esther Ofarim ist dafür an diesem Eröffnungsabend der Ruhrfestspiele Recklinghausen wohl die richtige Repräsentantin. Von "Sehnsucht nach Frieden im Nahen Osten" wird später Ministerpräsident Wolfgang Clement sprechen. Die "Sehnsucht, Palästinenser und Israelis hier wieder einmal gemeinsam in ein Projekt einzubinden", wird Ruhrfestspiele-Chef Hansgünther Heyme verspüren. Und draußen, vor dem Festspielhaus, sind die Sicherheitsvorkehrungen besonders groß, nicht nur weil das halbe Kabinett und die NRW-Wirtschaftsmächtigen gekommen sind, um das Comeback der 1941 in Safed (heute Israel) geborenen Esther Ofarim zu erleben.
Jugendlich zart, leicht unterkühlt Knapp 40 Jahre ist es her, dass die ausgebildete Tänzerin mit Ehemann Abi Ofarim ihre weltweite Karriere startete, millionenfach verkaufte Schallplatten und unzählige Tourneen verbuchte. In den 70ern, nach Job-Trennung und Ehe-Auflösung, wurde es dann still um die heute in Hamburg lebende Künstlerin, die sich mit Peter Zadeks berühmter "Ghetto"-Inszenierung 1984 auf der Bühne zurückmeldete. An den Hamburger Kammerspielen hat sie nach langer Zeit nun auch einen neuen Liederabend herausgebracht. Und für manchen repräsentierte das Ofarim-Gastspiel vielleicht auch die Sehnsucht, ein bisschen jünger zu bleiben als andere Sechzigjährige.
Jugendlich zart, fast zerbrechlich steht sie auf der Bühne, feuerrot das Haar, strahlend weiß das kaftanähnliche Abendgewand. Von einer Diva hat diese Esther Ofarim wenig. Leicht unterkühlt, fast ein wenig scheu beginnt sie ihr Programm aus Wiegen- und Wanderliedern, Brecht-Songs und Beatles-Hit, von Yoni Rechter (Piano/Keyboards) und Michaeil Paweletz (Geige) souverän begleitet. Nach jedem Lied quittiert sie den aufbrausenden Applaus mit einem dankbaren, fast zustimmenden Nicken. Man ist sich einig, zweifellos, dieser Abend ist ein Abend der Rückbesinnung, der gemeinsamen Erinnerung. Hymnische Höhen Das ist schön für all jene, die gekommen sind, um all die Klassiker zu hören, denen Esther Ofarim schon seit Jahrzehnten den persönlichen Stimm-Stempel aufdrückt, das Traditional "Dirty Old Town", den Cohen-Klassiker "Bird on a wire" oder das sehnsüchtige "Layla layla". Für manchen ist diese Mischung aus hebräischen Heimatliedern und englischen Songs aber auch zu wenig. Nicht nur, weil die Ofarim gerade mal ein gutes Stündchen für das am Ende bejubelte Wiedersehen auf der Festspielbühne vorgesehen hat. Die von leiser Melancholie durchtränkte Programmauswahl hält auch durchweg eine Klang-Farbe, bietet wenig Spannbreite und lässt das Publikum bei Brecht/Weills "Alabama-Song" wieder begeistert aufhorchen, wenn die Ofarim-Stimme über die meist hymnisch angestimmten Höhen hinaus auch mal sacken kann, kraftvoll und modulierend. Dann erlaubt sich diese zierliche Esther Ofarim auch mal eine kecke, fast übermütige Geste: Seht, ich bin wieder da. Bei mir tönt die Sehnsucht einfach ein bisschen leiser. (NRZ)05.05.2002 MARTINA SCHÜRMANN |
taken from NRZ
www.esther-ofarim.de