Bei
ihr, darin liegt ihre Größe, kommen Gegensätze zusammen, und
auch Trauer und Trost gehen Hand in Hand.
Erst singt sie Randy Newmans „In Germany Before The War“:
einen Song voll Mahlerscher Melodik, der unheilschwanger in die
30er Jahre zurückblickt und noch im Unausgesprochenen jüdisches
Schicksal ahnen lässt. Dann stimmt sie, mädchenhaft heiter,
wie es ihr immer noch gegeben ist, „Ten Li Yad“ an: ein
junges hebräisches Lied, das nichts anderes sagen will als:
„Gib mir deine Hand“.
Erinnerung und Neuanfang, Klage und Versöhnung sind nicht zu
trennen bei Esther Ofarim — nicht in ihrer Kunst, nicht in
ihrem Leben —, deshalb ist es immer ein bewegendes Erlebnis,
der israelischen, seit langem in Deutschland lebenden Künstlerin
zuzuhören — und ihr auch zuzuschauen.
Denn der Ausdruck sitzt nicht nur in der ungealtert hellen,
klaren und flexiblen Stimme, auch mimisch und gestisch weiß
Esther Ofarim ihre Mittel klug einzusetzen. Vor dem Schwarz von
Jacke und wallendem Rock wirkt selbst die kleinste Bewegung der
Hände.
Wie schon bei ihrem Nürnberger Auftritt vor drei Jahren wurde
sie jetzt wieder im ausverkauften Opernhaus gefeiert —
gefeiert als Person, gefeiert aber auch für ein Programm, das
viele Stile zusammenbringt und in der gelungenen
kammermusikalischen Gestaltung mit Flügel, Violine und Bass
intime Qualitäten entfaltet.
Selbst einer der wenigen Hits aus den 60er Jahren, die Esther
Ofarim noch einmal aufgreift, der Bee-Gees-Song „Morning Of My
Life“, glänzt jetzt wie ein Bekenntnis, reif und rund: ein
Morgen und ein Abend wie keine anderen. Wolf Ebersberger |