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Das zarte Augenblickliche


Esther Ofarim sang im Nikolaisaal

Sie hat geschafft, was kaum eines der bekannten Paare in der populären Musik, sei es Cindy und Bert oder Simon and Garfunkel, vermochten: Esther Ofarim hat jenen Namen, der an ihren in Zeiten des weltweiten Ruhmes gekettet war, vergessen lassen. Keiner aus ihrem Publikum am Samstag im ausverkauften Nikolaisaal wird Abi vermisst haben, mit dem sie 1967 als Duo Abi und Esther Ofarim weltweit Erfolge feierte. Um den Gesang von Esther Ofarim zu begreifen, muss man nicht in die 60er Jahre zurück gehen.

Für Esther Ofarim braucht nicht die Erinnerung an früher zu sprechen. Dieses Konzert ist keines eines ehemaligen Stars, der sich, die Kräfte schon schwindend, noch zu einem letzten Comeback überreden ließ. Hier steht eine glockenhelle, mal zerbrechliche, mal verruchte Stimme vor einem Publikum, dessen Applaus von Beginn an lang und ausdauernd ist und dessen Rückhalt im Laufe des kurzen, aber intensiven Abends sich immer weiter verdichten soll.

Die sechziger Jahre sind weit weg, weil Ofarim die Freiheit des vergangenen Ruhmes nutzt, um ihr Talent und ihre Persönlichkeit in den einzelnen Chanson zu legen. So steht eigentlich das Lied auf der Bühne, und diese kleine, rothaarige, bescheidene Person malt mit ihrem Sangesorgan dessen beeindruckenden Umrisse ins Gehör. Beginnend mit getragenen, ja jammervollen Liebesliedern tastet sich diese Stimme vor.

Yoni Rechter, der langjährige Begleiter Ofarims am Klavier, hält die Steigbügel, übernimmt aber nie die Zügel. Auch die Violine von Michael Paweletz und der Kontrabass von Micha Kaplan bleiben stets im Hintergrund. Der erste Höhepunkt ist beim jüdischen „Layla layla“ erreicht, die Schallwellentäler und -berge der Stimme scheinen im Saal zu stehen.

Eine packende Dramatik entwickelt sich, als Ofarim „In Germany before the war“ vorträgt. Bitterkeit, Tragik, Trauer sind hier die musikalischen Farben. Schüchtern tritt die Sängerin nach jedem Lied einen Schritt zurück, bedankt sich mit wenigen Gesten. Dem großartigen Kurt Weill Stück „September Song“ folgt eine Interpretation des Beatles-Klassikers „She´s leaving home“. Ofarims Stimme sucht in beiden das Leid und den Kummer, das kann sie sicher am besten darstellen, das Zarte, Augenblickliche. Schmachtstücke wie „Somewhere over the rainbow“ aus dem Musical „Der Zauberer von Oz“ entfalten ein klassisches Format jenseits des Sentimentalen. Bei „Mad about the boy“, wie viele, aber nicht alle Stücke des Abends auf dem gerade am Vortage erschienenen Album „Back on Stage“ veröffentlicht, blitzen und funkeln Ofarims Augen fast jungmädchenhaft. Ofarim heißt auf Hebräisch „Rehkitz“. Auch im erhabenen Alter dieser Chanson-Sängerin in diesem Moment zutreffend. Scheu, aber mit Hingabe.

Die erste durch Getrampel ertrotzte Zugabe war natürlich der alte Hit „Morning of my life“, jedoch schmunzelte esther Ofarim beim dessen Vortrag so ironisch, dass es als höflicher Kommentar des für sein Alter ungewöhnlich frenetischen Publikums gelten konnte. Standing ovations. Zwei weitere Zugaben wurden herbeiapplaudiert. Mit einem herzerweichenden still-anrührenden „Guten Abend, gut’ Nacht" entließ Esther Ofarim ihre alten und neuen Fans.

Matthias Hassenpflug, taken from www.pnn.de

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www.esther-ofarim.de