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Eine Stimme wie
zerbrechliches Glas
La
Grund. Sie ist auf die Bühne zurückgekehrt. Nach einer Zwangspause, die
sie sich selbst auferlegt hat: Esther Ofarim (eigentlich Esther Zaied). Sie war
es leid, Lieder zu singen, die sie gar nicht singen wollte. Sie war es leid, das
Vagabundieren, von Stadt zu Stadt, von Kontinent zu Kontinent. Nach ihrer
Trennung von ihrem Partner Abi Ofarim heiratete sie eine zweites Mal, lebt zurückgezogen
in Hamburg, bekam einen Sohn und nun, nach dem ihr Sohn erwachsen wird, startet
sie ihre zweite Karriere. Sie sucht sich ihre Auftritte aus, ohne wieder
vagabundieren zu müssen. Doch ihr Stern leuchtet heller denn je, ihre Fans sind
ihr treu geblieben und ihre Stimme ist faszinierend wie eh und je.
Auf
die Bühne zurückgekehrt ins Scheinwerferlicht ist eine kleine, zierliche Frau.
Ganz in Schwarz mit einer feuerroten Haarpracht. Ihre Gesten sind sparsam, ihr
Repertoire ist eine Mischung aus Folk und Klassik, aus Balladen und
traditionellen israelischen Liedern. Sie singt in fünf Sprachen und auch wer
hebräisch oder kubanisch nicht übersetzen kann, versteht, was sie ausdrücken
will: Die Sehnsucht nach Liebe, nach Geborgenheit, nach dem kleinen Glück des
Augenblicks. Und zum Glück hat sie nicht dort angeknüpft, wo sie Ende der 70er
Jahre aufgehört hat. Das Publikum bei KulturPur am Samstag im restlos
ausverkauften Festivalzelt erlebte einen Abend, an dem nur eins dominierte: die
Stimme der Ofarim. ,,Dirty Old Town« ist fast die einzige Reminisenz an die
musikalische Vergangenheit. Jenes Lied einer alten Industriestadt mit ihren
kalten Kaminschloten, grau und trostlos. In manchem Zuhörer mag in diesem
Moment die Hoffnung auf Folktitel aufgekeimt sein, als der Stern der Ofarims am
Interpreten-Himmel ganz hell leuchtete. Doch so gerne man noch einmal ,,Morning
Of My Life« oder ,,Cinderella Rockefella« gehört hätte, die Ofarim erspart
dem Zuhörer ein Revival an jene Zeit, als sie mit Cleopatra-Perücke und
Nofretete-Augen auf der Bühne stand. Am Samstag blieb die Nostalgie draußen
vor. Mit dem Pianisten Yoni Rechter, mit dem sie bereits seit 1977
zusammenarbeitet, und den Musikern Michail Paweletz (Geige) und Eli Degibri
(Saxophon) hat sie ein 70-Minuten-Programm zusammengestellt, das wie Kammermusik
im schrillen Pop-Klaumauk der geklonten Superstars von heute wirkt. Esther
Ofarim wechselt vom israelischen Volkslied zu ,,She’s Leaving Home« von
Lennon/McCartney hin zum Tango von Noel Cowars ,,Mad About The Boy«, mit dem er
sich das Leid des alternen Schwulen von der Seele schrieb. Ganz sanft wird ihre
Stimme, wenn sie ein kubanisches Wiegenlied singt, dann wieder überwechselt zum
schneidenden ,,Alabama Song« von Brecht/Weill. Ihre Stimme ist immer noch
atemberaubend wandlungsfähig und kann fast endlos die leisen Töne halten und
überspringt mühelos drei Oktaven.
Tosender
Beifall, Standing Ovations für Esther Ofarim, die getragen auf der Welle der
Sympathie und Begeisterung des Publikums bei KulturPur immer lockerer wurde und
zum Schluss das extrem Beherrschte ablegte. Sie schenkte ,,ihrem Publikum« drei
Zugaben, darunter Brahms ,,Guten Abend, gute Nacht« und Mendelssohn Bartholdys
Grüße ,,Leise zieht durch meine Gemüt liebliches Geläute«. ,,Wenn du eine
Rose schaust, sag ich lass sie grüßen«, heißt es darin. Das Bild der Rose hätte
auch gut auf Esther Ofarim gepasst, eine Rose, die von den KulturPur-Machern
wieder entdeckt wurde und die die Seele berührte.
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