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Die Ruhrfestspiele 2002
Nicht von dieser Welt
Esther Ofarim eröffnet die Ruhrfestspiele 2002
Ganz in Weiß, in folkloristisches
Edeltuch gehüllt, steht sie den ganzen Abend in der Mitte eines himmlischen
Lichtkegels auf einer kargen Bühne. Ein zerbrechlicher Engel, der viel von Träumen,
Sternen und Liebe singt, seltener von schmutzigen Städten.
Der Pianist und musikalische Leiter Yoni Rechter und der Geiger Michail Paweletz
sind kaum mehr als musikalische Dekoration und lassen auch in ihren Soloparts
musikalische Präsenz vermissen.
Die Stimme der Ofarim dagegen ist präsent, vor allem ihre viele Facetten. Sie
singt meistens zart und bezaubernd, lockend und sanft, immer nobel, in den Höhen
matt und in den leider seltenen Tiefen wohltuend warm. Das Unverwechselbare
ihrer Stimme aber ist das in aller Zartheit plötzlich hörbar kernige, fast
metallene.
Ihre biegsame Musikalität zeigt sie in dem koketten Beatlessong „She`s
leaving home“, den sie federleicht und lustvoll beschwingt präsentiert. Ein
Titel der aus dem Rahmen des musikalisch eher sanften, manchmal fast zu
beruhigenden Programms fällt und Esther Ofraim selbst aus der Reserve lockt: es
ist einer der wenigen Momente des Abends, an dem sie ihren Lichtkegel verlässt
und sich mit einem verschämt mädchenhaften Knicks für den Applaus bedankt.
Der Höhepunkt des Abends ist schon eine Zugabe: die Leonhard Cohen Hymne
„Like a bird on the wire“. Sie singt von einem Vogel, der die Freiheit
sucht, sie ist ein Mensch, der die Arme ausbreitet, und wieder scheint sie auch
fast ein Engel zu sein. Aber: ein Engel, der erschüttert. In diesem Moment ist
sie von dieser Welt. Das Publikum hält den Atem an. Das könnte sie ihm öfter
zumuten.
www.esther-ofarim.de