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3. Februar 2009, 01:42 Uhr
Wir haben es nicht für möglich gehalten, aber Esther Ofarim wird immer besser. Mit der Reife ihrer Jahre hat sie an innerer und damit an stimmtechnischer Freiheit gewonnen, die ihr eine noch größere Gestaltungskraft verleiht. Nicht, dass wir bei ihrem Auftritt im ausverkauften St. Pauli Theater eine vollkommen andere Esther Ofarim erlebt hätten als zuvor. Die hennaroten Haare leuchten als Powerfanal der sehr zierlichen Person, die Beschützerinstinkte weckt. Der Kopf ist wie bei einem scheuen Vögelchen leicht zur Seite geneigt. Die Hände unterstreichen in sparsamer Gestik das Gesungene. Alles wie immer und diesmal doch anders, weil sich die Ofarim auf ihrer musikalischen Reise durch Stile, Zeiten und Nationen als noch mitreißendere, auch komödiantischere, Geschichtenerzählerin erweist.
Sie trägt nicht ihr Herz auf der Zunge, sie trägt es, das Bild sei erlaubt, auf ihren Stimmbändern, die sie instrumental, aber nicht steril perfekt führt. Stilsicherheit und Geschmack könnten wahnsinnig langweilig sein, die Ofarim durchpulst jedoch die Songs, Balladen und Lieder mit Persönlichkeit und Lebendigkeit. "Still I feel the thrill of your charms" singt sie im Titelsong des Programms und auch wir sind elektrisiert von ihrem Zauber.
Am berührendsten aber ist der "Willow Song", Desdemonas Lied von der Weide aus Shakespeares Drama "Othello", komponiert vom Gitarristen Bernard Fichtner. Er begleitete die Ofarim, die im Geiste der Renaissance mit fast vibratofreier Stimme gestaltet. Neben Fichtner musizieren Ofarims langjährige Begleiter Yoni Rechter (Klavier), Michail Paweletz (Geige) und Micha Kaplan (Bass), die leider elektronisch schlecht ausgesteuert waren. Rauschender Beifall. MN