Ich habe dieses Phänomen in einige meiner Lieder aufgenommen und es von
fast allen Bühnen Europas herunter, in den Städten des Nahen Ostens und
in den großen Konzertsälen Amerikas erprobt. Immer hatte ich den Eindruck,
daß meine Zuhörer speziell diesen Liedern - weil sie eine menschliche
Story erzählen - mit ganz besonderer Anteilnahme folgten. Es war oft, als
protestierten sie, zusammen mit diesen Liedern, gegen die festgefahrene
und so oberflächliche Sphäre ihrer persönlichen Welt.
Das Lied, das eine Geschichte erzählt, ist laut wie ein Schrei.
Das heißt, es ist eine letztlich aus dem Schrei entwickelte Kunstform.
Egal ob ich es allein oder mit Abi singe, egal ob es Rhythmus oder
Raffinesse begleiten, egal ob es verhalten oder gar schüchtern klingt.
Das gute Lied ist wie ein gutes Gedicht: Nicht die Phonstärke und nicht
die markigen Worte machen seinen Wert aus. Strophen und Verse leben von
ihrem Gehalt und von ihrer inneren Spannung.
Sie können die Probe aufs Exempel selber machen. Vielleicht legen Sie
eine von Abi und mir besungene und bespielte Platte auf, falls Sie oder
jemand in Ihrem Bekanntenkreis zufällig eine besitzen.
Drehen Sie dann den Lautstärkeknopf bis zum Anschlag in beide
Richtungen. Sie werden merken, daß es nicht die Lautstärke ist, die
unseren Liedern Geltung verschafft, und daß wir Melodramatik nicht
kennen. Aber Sie werden unschwer heraushören können, was ich Ihnen mit
diesen Zeilen nahezubringen versuchte.
Ich weiß nicht, ob es gelang. (Denn wenn ich wirklich eine Begabung habe,
so liegt sie ganz sicher nicht und er Tinte und in der Feder.) Es bleibt
mir die Hoffnung, daß Sie verstehen, was ich will, wenn ich ein
Konzertpodium betrete, mich einem Mikrofon anvertraue und gar mit Hilfe
einer Schallplatte Ihre Türschwelle übertrete.
Sie werden mir als Frau nachsehen, daß ich die rätselhafte Welt der
Technik, die fast täglich in Schallplattenstudios, Rundfunk. und
Fernsehhäusern, auf Bühnen und Konzerpodien auf mich einstürmt,
respektvoll übergangen habe. Es gibt Berufenere als mich, Ihnen diese
Mysterien zu interpretieren. Außerdem: Die hobby-Bücherei will Ihnen ja
gerade mit der vorliegenden Ausgabe das Tor zur Wunderwelt der Mikrofone
und Schallplatten, der HiFi-Stereoanlagen und der Rundfunkgeheimnisse
aufstoßen - dieser Wunderwelt, der Abi und ich so unendlich viel
verdanken.
Ich durfte mich daher begnügen, Ihnen etwas ganz Persönliches von mir
und von der Musik zu erzählen. Ich tat es mit viel Freude. Es war das
erste mal überhaupt, daß ich für ein Buch schrieb.
Esther Ofarim
(Copyright 1967 by EHAPA-Verlag GmbH)
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