"Das
ist nun mal die Ofarim", sagt der
Berliner Kollege nebenan, während gerade zwei
Drittel der Parkettbesucher im Anhaltischen
Theater sich zu Ovationen erheben. "Sie
ist ein Star, und sie wird es immer
bleiben."
Den Hinweis
nehmen wir dankend an, denn Wunder muss man
nicht erklären. Wundern aber darf man sich:
Was ist das Geheimnis von Esther Ofarim,
dieser zierlichen Frau mit roten Haaren und
einem leisen Glanz in den Augen, die schon
1963 beim Grand Prix d'Eurovision bejubelt
wurde und nun zum Kurt-Weill-Fest erstmals in
Ostdeutschland gastierte? Darauf eine
befriedigende Antwort zu finden ist nicht
leicht. Denn was die Ofarim macht, könnten
sich andere nicht leisten.
Kaum ein Wort
wendet sie ans Publikum, verrät nicht, warum
sie welches Lied gewählt hat, auch nicht,
woher dieses oder jenes Weill-Stück stammt
oder wovon ihre hebräischen Songs handeln. Ob
alle im Saal Englisch verstehen, ist sowieso
nicht die Frage. "Kommt jetzt
Weill?" fragt sie, und wenn Yoni Rechter
nickt, sagt sie manchmal: "Das ist jetzt
eine absolute Premiere für uns." Yoni
Rechter ist Esther Ofarims Pianist, ein enger
Vertrau-ter offenbar, ein langjähriger Weggefährte.
Manchmal singt Rechter in sein Mikrofon am
Klavier, auch Stücke von ihm sind zu hören,
leichter Cocktail-Jazz, bei dem Michail
Paweletz an der Violine und Eli Degibri am
Saxofon solide hervor treten. Esther Ofarim
aber lächelt dezent und singt Balladen -
eine, noch eine, viele. "Every
Night" und "Dirty Old Town",
Weills "September Song" und
"Speak Low", auch "Somewhere
over the Rainbow", später dann Randy
Newmans "In Germany before the war"
und ziemlich am Ende Leonard Cohens "Like
a Bird".
Das wäre an
sich nicht schlimm, wenn ihre Stimme auch den
halblauten Ton dieser Liebes-, Klage- und
Bekenntnislieder tragen würde. Doch Esther
Ofarims Mezzosopran schimmert zwar fein in der
Mittellage, wird aber dünn und dünner,
sobald er in die Höhe steigen muss - trotz
Mikrofon, trotz Hall-Gerät. So wünscht man
sich am Ende, die Ofarim hätte nicht erst in
Weills "Alabama Song", weit nach der
Hälfte ihres Programms, die Balladenlast
abgeworfen, hätte öfter gezeigt, dass sie
noch Kraft hat, wie in Noel Cowards "Mad
About a boy".
In diesen
Liedern wird ihre Stimme plötzlich groß, das
Lächeln weicht der Entschiedenheit, der Glanz
in den Augen einem Strahlen. In solchen
Momenten ist Esther Ofarim ein Star, auch
heute noch.
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